W W W . O R G O N O M I E . J I M D O S I T E . C O M

 

Facebook-Einträge von David Holbrook, M.D.

 

 

 

 

Ein schizophrener Charakter trennt sich von seiner Freundin: Textaustausch mit einem Patienten

David Holbrook, M.D.

 

Dies ist ein Textaustausch mit einem paranoiden und wahnhaften jungen erwachsenen Patienten von mir, dessen langjährige Freundin sich vor kurzem von ihm getrennt hat, was wahrscheinlich diese psychotische Episode ausgelöst hat. Die Freundin versucht immer wieder, mit ihm Kontakt aufzunehmen, und möchte, daß er ihr „Freund“ ist. Ich sagte ihm, daß er sie blocken muß.

P: Ich weiß nicht, wie ich einfach nicht mehr mit ihr reden soll, aber ich versuche es.
Ich bin auch wütend.
Wie auch immer, es spielt keine Rolle.

D: Seien Sie wütend! Es ist besser als depressiv zu sein! Sagen Sie nicht „Wie auch immer“! Sie waren verletzt und sind betrogen worden: Sie sollten wütend sein und Sie sollten auch einfach weitergehen und sie zurücklassen!

P: Danke schön.
Ich spüre eine ganze Reihe von Emotionen.

D: Gut! Emotion ist besser als Psychose!
Die Psychose ist nur eine Methode mit Emotionen umzugehen, die zu beängstigend sind, um sie zu fühlen.

P: Ich fühle mich so schlecht.
Ich möchte mit ihr Kontakt aufnehmen.
Ich denke, ich muß nur mit der Dunkelheit zurechtkommen.

D: Das ist keine Dunkelheit, das ist Schmerz. Sie müssen das Weinen zulassen. Haben Sie keine Angst zu weinen. Das saugt die negative Energie aus Ihrem Gehirn ab und leitet sie in Ihre Tränen ab. Atmen Sie sie mit Ihrem Schluchzen aus und ersetzen Sie die „negative Atemenergie“ durch neu eingeatmete frische Luft und Hoffnung.

P: Ich habe schon versucht zu weinen, aber ich kann nicht.

P: Ich fühle nur eine Leere in meinem Bauch.

D: Atmen Sie. Das Schluchzen wird dann irgendwann kommen.

P: Wie soll ich nie wieder mit ihr sprechen?
Es ist einfach so hart.

D: Ja, es ist eines der schwierigsten Dinge, die Sie jemals tun werden. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche.

P: Vielleicht habe ich das verdient.
Vielleicht habe ich es verdient zu leiden.

D: Sie haben es nicht verdient zu leiden, niemand tut das. Wenn wir alle emotional gesünder wären, könnten wir besser einschätzen, wie wir uns selbst und andere zu behandeln haben.
Sie hat eindeutig ein begrenztes Verständnis für ihre Wirkung auf Sie. Ich denke, sie ist viel oberflächlicher als Sie. In gewisser Weise sind Sie tief. Sie versuchen sich wie alle anderen zu verhalten und die üblichen oberflächlichen Dinge zu tun, einschließlich der manchmal oberflächlichen Interaktion mit Frauen und Menschen im allgemeinen, aber das paßt nicht zu Ihnen. Sie haben keinen Kontakt zu sich selbst und Sie müssen sich und Ihre Gefühle besser verstehen und respektieren. Menschen, die auf schizoide Weise zusammenbrechen, sind tief. Wenn Sie sich selbst besser verstehen, können Sie Ihre Gefühle besser ertragen und müssen nicht auf psychotische Weise zusammenbrechen. Sie werden sich selbst besser sehen, und daher werden Sie in der Lage sein, Ihre Gefühle so wahrzunehmen, daß sie gesünder und stärker werden und Ihr Urteilsvermögen verbessern.

P: Das macht Sinn.

 

Über Spaltung

Mit „Spaltung“ meine ich im Grunde, daß jemand den Kontakt zu sich selbst verliert, auf eine sehr tiefgehende Art und Weise. Es gibt unterschiedliche Grade des Kontaktverlusts zu sich selbst. Mildere Versionen sind die Abwehrmechanismen der Verleugnung und Verdrängung, die jeder anwendet. „Spaltung“ bezieht sich auf die schwereren Formen des Kontaktverlusts mit sich selbst, im Grunde psychotische Mechanismen. Selbst Menschen, die im formalen Sinne nicht psychotisch sind, können Spaltungs-Mechanismen nutzen. Zum Beispiel sagt mir ein Patient im Teenageralter, seine Faust treffe sein Gesicht von selbst, ohne daß dies intentional oder auch nur bewußt sei; daß dies geschehen wird, selbst wenn er glücklich ist. Diese Art von Phänomen wird durch Spaltung ermöglicht. Dieses spezielle Beispiel wird wahrscheinlich von den meisten Psychiatern als dissoziatives Phänomen und nicht als psychotisches Phänomen bezeichnet. In der Realität sind Dissoziation und Psychose sehr eng miteinander verbunden. Ein ausgeprägteres psychotisches Beispiel als der Teenager, der sich ins Gesicht schlägt, wäre jemand, der auditive Halluzinationen einer Stimme hat, die mit ihm spricht, die aber nicht seine eigene ist. Bei beiden Beispielen handelt es sich also um das Phänomen „Ich bin es nicht, es ist die Stimme“ oder „Nicht ich bin es, es ist meine Faust“. Die Spaltungs-Mechanismen entstehen, wenn man der großen Gefahr gewärtig ist Sachen wahrzunehmen, die man einfach nicht ertragen kann. Dies geschieht, wenn die üblichen Abwehrmechanismen der Verdrängung oder Verleugnung versagen.

 

Liebesangst

Es gibt nichts Wunderbareres als die Liebe. Es gibt nichts Beängstigenderes als die Liebe.

Sind diese beiden Aussagen widersprüchlich?

Nein. Denn je mehr man jemanden liebt, desto schmerzhafter könnte es sein, wenn man ihn verliert.

Es gibt keine Grenze, wie sehr man jemanden lieben kann, außer der Angst. Furcht ist die einzige Grenze dafür, wie tief man sich im Laufe der Zeit in jemanden verlieben kann. Ich nenne diese Angst „Liebesangst“.

Liebesangst ist ein konkreteres Beispiel für das, was der Psychiater Wilhelm Reich „Lustangst“ nannte: die Angst vor der Lust. Die beste Art und Weise, die ich kenne, um die Lustangst zu beschreiben, basiert auf einem einfachen Experiment, über das ich vor Jahrzehnten gelesen habe. Es stellte sich heraus, daß man eine Amöbe klassischerweise so konditionieren kann, daß sie „Angst“ vor „lustvoller“ Expansion hat. Amöben „mögen“ Licht. Wenn du Licht auf eine Folie mit lebenden Amöben wirfst, dehnen sie sich aus. Wenn du dem Objektträger einen schwachen elektrischen Strom zuführst, ziehen sich die Amöben zusammen. Wenn du dem Licht einige Male elektrischen Strom folgen läßt, wird die Amöbe nun konditioniert sein, sich zusammenzuziehen, sobald du sie beleuchtest. Dies ist eine experimentelle Demonstration der „Lustangst“ in ihrer einfachen und primitivsten Form. Die Amöbe „fürchtet“ sich nun vor dem Licht und zieht sich zusammen als Reaktion auf denselben Reiz, der sie zuvor zu einer „lustvollen“ Ausdehnung veranlaßt hatte: die Bewegung ihres Protoplasmas zur Welt hin statt von ihr weg.

Die Liebesangst findet sich universell in allen romantischen Beziehungen. Sobald dir bewußt wird, daß es so etwas wie Liebesangst gibt, kannst du beginnen, sie regelmäßig in deiner romantischen Beziehung zu beobachten. Das ist sehr wichtig und wertvoll, denn typischerweise ist es die Liebesangst, die Menschen dazu veranlaßt, unbewußt Dinge zu tun, die die potentielle Tiefe und die Lust einer Beziehung einschränken oder sogar die Beziehung zerstören.

Beim Durchlaufen romantischer Beziehungen lohnt es sich, ständig auf der Suche nach Manifestationen von Liebesangst zu sein. Gewöhnlich wird nicht erkannt, daß das, was geschieht, durch Angst ausgelöst wird, aber wenn wir scharfsinnig genug sind, können wir erkennen, daß es das ist, was vor sich geht. Dies ist besonders nützlich früh im Verlauf einer Beziehung, wenn es sehr wahrscheinlich ist, daß eine oder beide Personen aufgrund der wachsenden Liebe und der Verletzlichkeit, die die aufkeimende Beziehung schafft, Angst bekommen. Man sieht dies in seiner dramatischsten Form, wenn, nachdem ein neues Paar eine besonders lust- und liebevolle Zeit miteinander verbracht hat, sich einer der beiden plötzlich und unerklärlicherweise ganz aus der Beziehung zurückzieht! Die Person, die sich zurückzieht, ist vielleicht nicht einmal in der Lage, sich selbst zu erklären, warum sie sich zurückzieht. Wenn man sich der Angst in sich selbst bewußt ist, kann man sie seinem Partner gegenüber zu erkennen geben und ihm bzw. ihr erklären, daß einem nach Rückzug zumute ist, weil man Angst hat, sich immer tiefer in ihn bzw. in sie zu verlieben. So kann man verhindern, daß sich dein Partner zurückgewiesen fühlt, wenn er merkt, daß du dich zurückziehst oder distanziert bist. Ich glaube, daß die bloße Kenntnis des Phänomens der Liebesangst viele Beziehungen retten könnte, sowohl in der Anfangsphase als auch im Laufe einer langfristigen Beziehung.

Liebesangst kann auch in verschiedenen Stadien im Laufe des Lebens einer Langzeitbeziehung auftauchen. Beziehungen vertiefen sich nach und nach im Laufe der Zeit, selbst Beziehungen, die Jahrzehnte dauern. In langfristigen Beziehungen kann sich die Liebesangst auf vielfältige Weise manifestieren, zum Beispiel manchmal als eine triviale und bedeutungslose kleine Auseinandersetzung, die keinen anderen Zweck hat, als ein Paar kurzzeitig auseinander zu bringen.

Eine andere sehr häufige Art und Weise, in der sich Liebesangst manifestieren kann, ist die Beeinträchtigung der sexuellen Erregung oder des Ablaufs. Wenn sich das Paar des Phänomens der Liebesangst bewußt ist, können sie leichter verstehen, daß die Hemmungen eines Partners sehr wohl darauf zurückzuführen sein können, daß er sich in Bezug auf die Lust des Liebesspiels verletzlich und gehemmt fühlt. Diese Art von Angst ist völlig unwillkürlich, man hat keine Wahl. Wenn ein Paar dies verstehen kann, kann das viel dazu beitragen zu verhindern, daß sich ein Partner vom anderen Partner zurückgewiesen fühlt. Es kann auch verhindern, daß der sich zurückziehende Partner seinen eigenen Rückzug als ein Zeichen dafür nimmt, daß er seinen Partner vielleicht nicht mehr liebt. Das genaue Gegenteil kann die Wahrheit sein! Wenn der sich zurückziehende Partner seine eigene Angst spüren kann, wird deutlich, daß er sich nicht wegen des Scheiterns der Liebe zurückzieht, sondern aus Angst vor der Vertiefung der Liebe.

Sex ohne Liebe ist nicht besonders beängstigend. Aber wenn man Liebe und Sex miteinander verbindet, verstärken sie sich gegenseitig. Das kann emotional sehr beängstigend sein.

Es gibt kein natürliches Limit der potentiellen Tiefe, die eine Beziehung erreichen kann. Nur Angst erzeugt das Limit.

 

Streiten und die dreischichtige Struktur

Wilhelm Reich skizziert ein einfaches dreistufiges Konzept der Psyche. Der „Kern“ ist der gesunde, tiefste Teil von uns. Die „oberflächliche“ Schicht ist die Schicht unserer Persönlichkeit, die sich der Welt angleicht. Die „mittlere“ bzw. „sekundäre“ Schicht ist die Schicht zwischen der oberflächlichen Schicht und dem Kern.

Die „sekundäre“ Schicht ist die Schicht, die unsere neurotischen, wütenden und frustrierten Triebe enthält, die durch die Frustration unserer Bedürfnisse entstehen. Die oberflächliche Schicht trägt dazu bei, die sekundäre Schicht einzudämmen und sogar zu verschleiern, während sie gleichzeitig dem Kern als Weg dient, sich gegenüber der Welt auszudrücken.

Streiten ist eine Funktion der sekundären Schicht. Wenn jemand versucht, dich in ein Streitgespräch hineinzuziehen, versucht er, dich in sekundäre, abgeleitete Dinge hineinzuziehen. Rationale Gespräche sequestrieren die sekundäre Schicht zum größten Teil.

Streiten ist eine Art gegenseitiges Eindringen in und Teilhabe nehmen an der sekundären Schichten des jeweiligen Gegenübers. Kontaktvolle, relativ gesunde Gespräche beginnen mit einem aufeinander Eingehen der oberflächlichen Schichten der Teilnehmer. Zu einer gesunden verbalen Interaktion gehört eine Art neutrale Sondierung zwischen jedem Teilnehmer, um herauszufinden, wie tief die andere Person bereit oder in der Lage ist, auf die Wahrheit und den Kern einzugehen. Wenn man bei einem der Teilnehmer ein Abwehrmanöver irgendeiner Art begegnet, wird eine kontaktvolle Person in den meisten Fällen nicht versuchen, an der Abwehr der anderen Person vorbeizugehen. Die Abwehr könnte sich als Wechsel des Themas zeigen oder als Verwirrung oder ein wenig Feindseligkeit usw. Das ist ein Zeichen dafür, daß man auf eine Abwehr gestoßen ist. Wenn man dann zum Angriff übergeht oder die Abwehr bedrängt, tritt man nunmehr in eine Auseinandersetzung mit der sekundären Schicht der anderen Person ein. Im Gegensatz dazu geht es bei kontaktvollen Diskussionen darum, einen Weg zu finden, wie man wieder einen gesunden Kontakt zwischen den oberflächlichen Schichten der Teilnehmer herstellen kann.

Die oberflächliche Schicht umfaßt die Fähigkeit des Individuums zum Kernkontakt, in welchem Umfang das Individuum diese Fähigkeit auch immer besitzen mag. Die oberflächliche Schicht umfaßt auch verschiedene Aspekte der Abwehrfunktionen des Individuums, die von der sekundären Schicht abgeleitet sind. Wenn man also mit dem Kern einer Person Kontakt aufnehmen will, muß man die oberflächliche Schicht respektieren und sich auf diese Ebene einlassen, bis eine natürliche spontane gesunde Vertiefung eintreten kann. Man muß die Fähigkeit haben, eine Vertiefung in Richtung der sekundären Schicht im Vergleich zu einer Vertiefung in Richtung des Kerns zu erkennen.

Das erste, was man sich fragen muß, wenn man sich mit jemandem unterhält, ist: „Aus welcher Schicht stammt das, was kommt?“ Das gilt sowohl für die andere Person als auch für einen selbst.

 

Der Therapeut als „Menschenflüsterer“

Ein jugendlicher Patient von mir schrieb mir dies, und ich antwortete so:

Patient: Therapeut = Menschenflüsterer.

Ich: Genau. Man muß das „Pferd“ einschätzen und versuchen, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie tief, auf welcher Ebene „es“ einen an sich heranlassen wird. Dazu gehört die äußerst schwierige und diffizile, subtile Kunst, die „Ebenen“ oder „Schichten“ der Psyche des Pferdes zu analysieren oder intuitiv zu erfassen, so daß man sich aussuchen kann, auf welcher Ebene man versuchen will, ihm etwas zuzuflüstern. Es ist eine Art von Verhandlung.

 

„Fang an dir selbst zu vergeben“

Das ist ein wirklich schöne Gefühlslage und ich möchte sie überhaupt nicht kritisieren. Aber wenn Menschen in der Lage wären, sich selbst zu verzeihen, gäbe es im Grunde keine psychischen Krankheiten oder Leiden und keinen Bedarf an psychiatrischen Fachkräften oder vielleicht sogar an Religion. Dies ist einer der, wenn nicht sogar der wichtigste Heilige Gral im Bereich der psychischen Gesundheit: wie man Schuld und Selbstvorwürfe und Selbstkritik versteht und wie man mit diesen Phänomenen auf eine nicht oberflächliche Art und Weise arbeitet. Selbstkritik ist, wie im Grunde genommen alle Fragen der psychischen Gesundheit, nicht „rational“, sodaß es meiner Meinung nach nicht sehr effektiv ist, sich ihr als etwas anzunähern, mit dem man sich mit Argumenten annähern oder das man wegwünschen könnte. All diese Dinge sind emotionaler Natur. Emotionen sind meiner Ansicht nach nicht irrational. Emotionen haben ihre eigene Art von Logik, aber es ist nicht die aristotelische Logik oder irgendeine andere Art von Logik, die sich im Bereich der Vernunft bewegt. Ich denke, die Wahrheit ist, daß unser Bewußtsein, unser Gehirn, eher den Scheinwerfern am Auto ähnelt als dem Motor.

 

Über „das Entspannen“, das Gefühl von „Sinnhaftigkeit“ und das Glück

Ich war letzte Nacht noch eine Weile auf, bevor ich endlich ins Bett ging. Wenn ich das tue, kommt mir der Gedanke, daß es meine Chance ist, wieder introvertiert zu sein, nachdem ich die ganze Woche bei der Arbeit extrovertiert war. Es hat etwas stärkendes, ich weiß nicht genau, wie ich das beschreiben soll. Natürlich ist es nur meine Version von dem, was die Leute „Entspannen“ nennen. Ich bin mir nicht sicher, ob das, zumindest in meinem Fall, bedeutet, besser mit mir selbst in Kontakt zu kommen oder vor einem Kontakt zu fliehen, der zu viel für mich ist, als dass ich ihn tolerieren könnte, und deshalb nehme ich die Zeit der „Introvertiertheit“ als Möglichkeit, mich wieder zu panzern. Sicherlich würde jedes Essen spät in der Nacht diese Funktion erfüllen. Was das Anschauen von Dingen auf einem Bildschirm (z.B. YouTube) betrifft, so vermute ich, daß dies in gewisser Weise auch eine Flucht vor dem Kontakt ist, und ich frage mich, ob das auch so ist, wenn Leute Fernsehen gucken. Andererseits scheint es mir, daß das Hören von Musik oder Fernzusehen (oder in meinem Fall das „Denken“) für die Menschen angenehm und erholsam ist, ist es also strikt eine Flucht vor dem Kontakt oder ist es auch zumindest teilweise ein Prozeß der Entspannung und der Freude und der Rückkehr zum Kontakt mit sich selbst? Ich nehme an, der gemeinsame Nenner, ob gesund oder krankhaft, ist hier die Wiederherstellung eines parasympathischen Zustands. Das kann ein natürlicher und gesunder Prozeß sein oder eine reaktive Flucht aus dem Sympathikotonus.

Es scheint mir, dasselbe könnte man auch über den Schlaf sagen.

Ich frage mich, ob die Art und Weise, wie man beschreiben kann, wie Genitalität glücklich macht, darin besteht, daß sie mit Kontakt zum Kern einhergeht, was meiner Meinung nach wahrscheinlich im Sinne eines Gefühls der „Sinnhaftigkeit“ des eigenen Lebens gemeint ist. Diese Konzeptualisierung würde auch mit der Religion in Einklang stehen, die den Menschen hilft, glücklich zu sein, denn Religion neigt dazu, emotional zu sein und sie hilft den Menschen auch, eine gewisse Verbindung sowohl zu ihrem Kern als auch zum Kosmos zu fühlen, wobei letzteres, wie Reich sagte, das ist, wonach sich jeder sehnt, und die ultimative Erklärung für die Funktion von Liebe und genitaler Sexualität darstellt.

Dieses Thema läßt mich auch an Konias Blog denken: wie die weltweite Kontraktion die Menschen mehr mit sich selbst (und ihrem Kern) in Kontakt bringt.

Es ist demnach interessant festzustellen, daß sowohl Expansion als auch Kontraktion einen mit sich selbst in Kontakt bringen können. Die orgonomische Therapie funktioniert zumindest teilweise, indem sie den Menschen hilft, mit ihrer Kontraktion (ihrer Panzerung) in Kontakt zu kommen, sie zu tolerieren und sie auszudrücken, was dann zur Expansion führt.

 

Panik, Asthma und die Vorteile einer Panikattacke

Textaustausch mit den Eltern einer jugendlichen Patientin von mir:

E: Hi David. Claudia und ich fühlen uns bei Hannah hilflos. Sie hat einen weiteren Nervenzusammenbruch. Ich schätze, wir nennen es eine Panikattacke (obwohl ich das nicht als in einem Zustand der Panik befindend charakterisieren würde)... Ganz aufgeregt... Der Körper wölbt sich und krümmt sich verkrampft... Ringt um Luft. Schluchzt. Wir haben versucht, ihre Atmung so zu lenken, daß sie vollständig ausatmet, wie Sie es gezeigt haben. Es hilft irgendwie, aber sie glaubt nicht daran, daß es funktioniert, und weigert sich im Grunde genommen, die volle Ausatmung durchzuziehen. Gestern hatte sie eine [Panikattacke] oder mehrere davon. Eine mitten in der gestrigen Nacht. Und jetzt noch eine. Sie schreit mich an, daß es nicht funktioniert. Das vollständige Ausatmen. Vielleicht braucht sie von Ihnen eine Anleitung. Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Vielleicht sollten wir sie zu Ihnen bringen oder mit Ihnen skypen oder so? Lassen Sie uns wissen, was Sie denken.

E [später:] Sie hat es überstanden. Sie wurde bei einer Tasse Pfefferminztee ruhiger. Sieht aus, als wäre sie eingeschlafen. Atmung normal.

D: Okay, tut mir leid, ich konnte nicht früher reagieren. Die Sache mit der vollen Ausatmung ist gültig, aber sie ist etwas mechanisch. Was sie braucht, ist, ihre Gefühle auszudrücken, einschließlich ihrer negativen oder traurigen oder wütenden oder ängstlichen Gefühle. Auch wenn es beunruhigend aussehen mag, kann es tatsächlich hilfreich und kathartisch sein. Am besten ist es, einfach zuzuhören und wahrscheinlich so wenig wie möglich zu sagen, es sei denn, sie bittet um eine Antwort, einen Beitrag oder einen Rat. Selbst in diesem Fall ist es wahrscheinlich am besten, ihr einfach Liebe und Ermutigung zu geben und ihr Fragen zu stellen, mit denen sie für Sie klarstellt, was sie auszudrücken versucht, und mit denen sie zu weiterem Ausdruck ermutigt wird. Schließlich gehört zum Reden und Weinen und zu all diesen Dingen das Ausatmen!

Gibt es einen Hinweis auf eine Selbstmordgefährdung? Und wenn ja, sind Sie in der Lage, sie dazu zu bringen, zwischen verzweifelten Gedanken und tatsächlichen suizidalen Wünschen zu unterscheiden?

E: Ich höre oder spüre nichts von Selbstmordgedanken. Ich werde versuchen, an dieser Anleitung zu arbeiten. Klingt offensichtlich und einfach, aber es ist aus irgendeinem Grund nicht leicht.

D: Ja, wir sind nicht darauf „programmiert“, das miteinander zu tun. Es hat noch keine Zivilisation oder Kultur gegeben, die Emotionen auf diese einfache und offensichtliche Weise betrachtet hat.

Ich betrachte eine Panikattacke tatsächlich als die Art und Weise, wie der Körper versucht, Spannungen abzubauen, und damit als etwas Gutes und nicht als etwas Schlechtes! Auf diese Weise (und ich will nicht vulgär werden), ist es wirklich kaum so anders als auf die Toilette zu gehen! Es ist manchmal eine notwendige Sache. Es ist erschreckend und beängstigend zu erleben, oft vermischt mit intensivem Weinen und der Sehnsucht nach Trost usw. Oberflächlich betrachtet, erscheint es also sicherlich wie etwas Schlimmes! Aber wenn man dabeibleiben kann und es nicht als etwas Schlimmes empfindet, auch wenn es schmerzhaft und beängstigend ist, kann es tatsächlich zu einer großen Erleichterung führen und auch dazu, daß man besser mit sich selbst und dem, was man fühlt, in Kontakt kommt und welche Gefühle und Gedanken man vermieden hat.

Ich selbst habe dies persönlich erlebt. Ich habe mich in meinem ganzen Leben nie wirklich ängstlich gefühlt, trotz vieler wirklich schrecklicher und ungewöhnlicher Dinge, die mir passiert sind, und trotz verschiedener Arten von schweren und ungewöhnlichen Entbehrungen, die ich durchgemacht habe. Und dann, nachdem meine Mutter vor ein paar Jahren gestorben war, bekam ich Herzklopfen und wurde später immer anfälliger für echte Panikattacken. Nachdem ich gut geweint hatte, verschwand das Herzklopfen. Ich hatte einige Panikattacken, die so schwer waren, daß ich mich fragte, ob ich wohl einen Krankenwagen rufen müßte! Zum Glück traten die Panikattacken auf, als ich mit meiner Freundin zusammen war, und sie war tolerant und verständnisvoll und flippte selbst nicht aus. Sie hörte einfach nur leise zu, während ich das Erlebnis durchmachte. Ich erlaubte mir einfach, eine Panikattacke durchzumachen, und auf der anderen Seite stellte ich fest, daß es eine ganze Menge Weinen und die Verarbeitung verschiedener Erinnerungen und Gefühle gab, was mir sehr geholfen hat!

E: Wow. Danke, daß Sie das mit uns geteilt haben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich schon einmal Panikattacken hatte, aber ich habe Erfahrungen dieser Art gemacht und verstehe das. Das macht absolut Sinn. Ich schätze, ich werde wohl aufs Glatteis geführt bei dem „Versuch, nicht zu reden... Laß sie in Ruhe...“ Aber gleichzeitig versuche ich, sie zu überreden, über ihre Gefühle zu sprechen.

D: Und noch etwas: Vor etwa fünf Jahren entwickelte ich zum ersten Mal in meinem Leben Asthma. Eigentlich hatte es sich seit meiner Trennung von Jennifer im Jahr 2011 sehr subtil entwickelt, aber dann verschlimmerte es sich plötzlich dramatisch, als ich mit meiner Freundin einen romantischen Urlaub machte! Es scheint mir offensichtlich zu sein, daß Asthma mit dem Zurückhalten vieler Emotionen, insbesondere von Angstzuständen, zusammenhängt. Es kann aber auch mit dem Zurückhalten von Traurigkeit oder Wut zusammenhängen. In Bezug auf die Wut: Haben Sie jemals einen Tyrannen gesehen, der Asthma hat? Menschen mit Asthma sind in der Regel diejenigen, die schikaniert werden und nicht in der Lage sind, angemessen aggressiv zu reagieren.

Im Laufe der Zeit ist mir klargeworden, daß die Entwicklung meines Asthmas mit unzureichend ausgedrückten Gefühlen zum Zeitpunkt des Todes meiner Ehe zusammenhing und daß die spätere Verschlimmerung des Asthmas während einer Zeit großer Liebe und Lust mit einer Form von „Lustangst“ zusammenhing, mit einer unbewußten Hemmung, es nicht zu wagen, wieder zu lieben und zu fühlen, mit anderen Worten mit einer tatsächlichen Angst vor lustvollen Gefühlen, vermischt mit gehemmten und unbewußten und nicht ausgedrückten Emotionen in meinem Körper.

Der Zusammenhang zwischen Asthma und Panik ist für jeden, der es erlebt oder miterlebt hat, sehr klar und wird auch in der schulmedizinischen Literatur erwähnt.

Was in der konventionellen Literatur nicht erkannt wird, ist die Dialektik zwischen Angst/Wut/Traurigkeit auf der einen Seite und Asthma auf der anderen Seite: Wut und Angst stehen im Zusammenhang mit dem „sympathischen“ Zweig des autonomen Nervensystems. Das ANS steuert Dinge wie die Herzfrequenz, die Atemfrequenz (und auch die Einatmung), die Körpertemperatur, den Blutfluß und die körperliche Erfahrung aller Emotionen. Der andere, entgegengesetzte Zweig des ANS ist der „parasympathische“ Zweig. Er wird im Allgemeinen mit Entspannung und Vergnügen in Verbindung gebracht und determiniert dieselben Dinge, die der sympathische Zweig beherrscht, jedoch in umgekehrter Richtung. Der parasympathische Zweig ist an der Ausatmung und der Verlangsamung der Herzfrequenz beteiligt, zusammen mit erhöhtem Blutfluß, Lustempfinden und dem Ausdruck von Traurigkeit durch Weinen.

Was hat dies also mit Asthma zu tun? Bei Asthma handelt es sich um eine Übererregung des parasympathischen Zweigs des Nervensystems! Dies ist eine bekannte physiologische Tatsache, aber niemand bringt es mit dem Gefühlsleben von Menschen in Verbindung! Der sympathische Zweig des ANS dehnt die Bronchiolen aus, und der parasympathische Zweig des ANS zieht die Bronchiolen zusammen! Salbutamol ist im Grunde genommen Adrenalin: es aktiviert den sympathischen Zweig, dehnt so die Bronchiolen aus, lindert das Keuchen und ermöglicht eine bessere Sauerstoffversorgung.

Psychosomatische Theoretiker haben vorgeschlagen, daß die parasympathische Übererregung bei Asthma eine somatopsychologische Abwehr gegen die zugrundeliegende Angst sein könnte!

Bei meinen Erfahrungen mit dem Zulassen von Panikattacken bei mir selbst habe ich entdeckt, daß nach der Panikattacke und dem Weinen mein Asthma vorübergehend verschwindet! Wenn ich die Angst tatsächlich erleben und fühlen kann, ist das Asthma vorübergehend verschwunden. Ja, auf der anderen Seite, wenn ich die Emotion willentlich oder unwillentlich vorübergehend unterdrücke oder nicht ertragen kann, werde ich vorübergehend asthmatischer. Das scheint mir ein sehr klarer Hinweis zu sein, der die Theorie unterstützt, daß Asthma eine Abwehr gegen die zugrundeliegende Emotion ist! Ich habe auch Fälle erlebt, bei denen chronische Krämpfe im unteren Rückenbereich zwar nur vorübergehend, aber unmittelbar nach solchen Episoden verschwunden sind!

 

Kreiselwelle, Projektion, projektive Identifikation, phallische Narzißten versus Schizophrene

Soeben kam mir ein Gedanke: Projektion ist ein Kreiselwellen-Phänomen! Der projektive Gedanke, der in Wirklichkeit ein dissoziierter Gedanke über sich selbst ist, springt nach außen auf andere und kehrt dann in einer sichereren (re-assoziierten) Form zum Selbst zurück („es geht nicht um mich“) und bewirkt eine Reaktion im Selbst, einen Puls, einen Moment des Erkennens (Erstrahlung?).

Der Psychoanalytiker Wilfred Bion schrieb viel über Projektion und projektive Identifikation. Projektive Identifikation ist eine Art von Projektion auf quasi ödipaler Ebene. Sie führt die Projektion einen Schritt weiter, aber auf eine objektbezogenere Art und Weise als die reine Projektion, die hauptsächlich im Kopf des Projektors stattfindet. Bei der projektiven Identifikation projiziert man nicht nur ein Element von sich selbst, sondern man induziert diesen Gedanken oder diese Emotion oder dieses Verhalten bei der anderen Person; und dann kann man z.B. in dem Fall, daß man seine eigene Wut so stark projiziert, daß man die andere Person wütend macht, behaupten: „Siehst du, du bist der Wütende!“

Bion, selbst eindeutig ein schizophrener Charakter, glaubte, daß projektive Identifikation allen Denkprozessen inhärent sei. Das erschien mir immer wahr, wenn auch vielleicht schwer zu erklären.

Interessanterweise ist Bions Theorie der projektiven Identifikation, die allen Denkprozessen inhärent ist, selbst ein Akt der projektiven Identifikation!

Hier ist jedoch ein interessantes Moment: Projektion kann sehr scharfsinnig sein, obwohl sie gleichzeitig verzerrt ist. Wenn man zum Beispiel das Gefühl hat, daß alle anderen narzißtisch sind, kann das eine Projektion des eigenen Narzißmus sein. Aber das paranoide(1) projektive Denken sucht tatsächlich „Gleichgesinnte“.(2) Mit anderen Worten: wenn man selbst narzißtisch ist, ist man besonders auf den Narzißmus der anderen eingestimmt und scharfsichtig. Es ist Teil des Narzißten selbst, denn um am effektivsten mit dem anderen narzißtischen Individuum zu konkurrieren, muß man alles über das Individuum, mit dem man konkurriert, wahrnehmen, auch deren eigenen Narzißmus. Das sieht man immer wieder bei narzißtischen Individuen, aber nicht bei paranoid-schizophrenen Individuen. Tatsächlich projizieren phallische Narzißten ständig! Es ist einfach eine eher ödipale Projektion, weil sie aus der Angst vor Kastration stammt, nicht aus der Angst vor völliger Verlassenheit und Vernichtung, wie sie der okulare Charakter erlebt.

 

Über Einfühlungsvermögen, Liebe, Politik und „Entweder-Oder-ismus“

(...) Empathie ist keine Befürwortung. Sich in jemanden einzufühlen, mit dem man zutiefst nicht einverstanden ist, bedeutet nicht, daß man plötzlich seine eigenen tief verwurzelten Überzeugungen kompromittiert und dessen Überzeugungen gutheißt. (...) Es bedeutet nur, daß ich die Menschlichkeit von jemandem anerkenne, der dazu erzogen wurde, ganz anders zu denken als ich. (Dylan Marron)
Ich versuche immer, bei jedem etwas zu finden, das mir gefällt.

Ich schaue mir die Menschen an und habe das Gefühl, daß ich ein wenig verstehe, warum sie so sind, wie sie sind. Und das hilft mir sehr. Ich sehe das Dickicht der Abwehrmechanismen, die den Menschen dazu zwingen, so zu sein; und ich weiß, daß das alles da ist, nur weil sie Angst davor haben verletzt zu werden.

Das macht für mich den Unterschied zwischen Liebe und Politik aus. Ich finde, man kann sich das am besten veranschaulichen, wenn man sich ein Paar im Bett vorstellt, nachdem sie eine sehr tiefe und erfüllende Erfahrung von Liebe und Intimität gemacht haben. Und nun versuche man sich vorzustellen, wie sie über Politik sprechen! Die beiden Dinge passen einfach nicht zusammen. Und dann frage dich: Was sagt das über Politik aus!

Ich denke oft über die menschliche Neigung nach, in einer „Entweder-Oder“-Manier zu denken. Der „Entweder-Oder-ismus“ besagt, daß die Dinge unbedingt entweder das eine oder das andere sein müssen. Sie können nicht beides sein. Zum Beispiel diktiert das der Entweder-Oder-ismus den Menschen, die in einem Krieg um das Recht kämpfen. Dies manifestiert sich am stärksten in der Politik: Polarisierung. Aber ich glaube, daß das Entweder/Oder immer eine Illusion ist. Treten Sachen in antithetischen Entweder-Oder-Paaren auf? Ja. Aber ich glaube auch, daß jedes antithetische Paar von Phänomenen auf einer tieferen Ebene eine Einheit darstellt. Mit anderen Worten, die Dinge können gleichzeitig antithetisch und in gewisser Weise identisch sein. Ich glaube, daß es in scheinbar gegensätzlichen Dingen immer einen gemeinsamen Nenner gibt, der sie miteinander verbindet. Das ist ähnlich wie Hegels Idee von These, Antithese und Synthese. Der Psychiater Wilhelm Reich entwickelte dies zu dem, was er „funktionelles Denken“ nannte. Er nannte es „funktionelles Denken“, weil er glaubte, daß diese Art zu denken der Funktionsweise der Natur selbst entspricht.

„Entweder-Oder-Denken“ ist typisch für Denken im Sinne einer psychologischen Abwehr. In psychoanalytischer Begrifflichkeit beschreiben wir dasselbe, wenn wir von „Abspaltung“ sprechen. Wenn wir uns spalten, denken wir, daß etwas oder jemand entweder ganz gut oder ganz böse ist: Wir sind unfähig zu tolerieren, zu sehen, daß eigentlich alles gut und schlecht ist, ja und nein! Diese Denkweise ist typisch für primitives Denken und auch für die Art von Denken, in die Menschen fallen, wenn sie in einem Konflikt stecken. In der Lage zu sein, über die Spaltung oder das Entweder-Oder hinauszugehen, ist eine Entwicklungsleistung. Alles entspringt aus einer tieferen Quelle. Erst wenn wir in neurotisches und abwehrendes, wütendes und polarisiertes Denken verstrickt sind, verlieren wir das aus den Augen. Wir verlieren die Dinge aus den Augen, die wir gemeinsam haben. Das ist die Definition von Wahnsinn.

 

„Gehe mit dir selbst so um, wie du möchtest, daß andere mit sich selbst umgehen“

[Dies ist ein Textaustausch mit einem Patienten. Die Namen wurden geändert und es gibt keine identifizierenden Informationen oder Zusammenhänge. Es handelt sich um einen Patienten, den ich seit Jahren kenne, und wir haben zusammen einiges durchgemacht. Jeder Patient ist einzigartig. Ich würde nicht dasselbe bei jedem Patienten sagen oder tun.]

D: Wie geht es Ihnen?

P: Ich dachte, ich hätte gestern Besorgnis in Ihrem Gesicht gesehen.

D: Ich konnte sehen, wie sehr Sie kämpfen.

Wie Sie sich so sehr wünschen, geliebt und geschätzt zu werden. Ich glaube, das ist ein Teil davon, warum Susan so niederschmetternd für Sie ist.

Ich habe daran gedacht, wie einfach es wäre, zu moralisieren und zu sagen, daß Sie „selbstzerstörerisch“ sind und all den anderen bösartigen Mist, den Leute zu Menschen sagen, die leiden und ängstlich und gelähmt sind und die aufgegeben haben.

P: Gut gesagt. Im Moment funktioniere ich nur und war in der Lage zur Arbeit zu gehen. Allerdings bin ich zunehmend unfähig, die Scheißköpfe, mit denen ich zusammenarbeite, auszublenden. Das macht mich wirklich krank.

D: Verständlich. Aber man muß in der Welt bleiben, egal wie beschissen sie ist. Seien Sie einfach Sie selbst. Man muß nicht von jedem geliebt werden und man muß nicht jeden lieben. Seien Sie einfach stolz auf das, was Sie tun, und lassen Sie sie selbst bleiben. Erkennen Sie, daß sie krank sind, daß sie eine Krankheit haben. Es ist eine sozio-emotionale Krankheit. Sie haben diese spezielle Krankheit nicht. Wir alle haben unsere Krankheiten. Sie können tatsächlich Mitgefühl für sie haben. Sie leiden auf ihre eigene Art und Weise. Verurteilen Sie sie nicht, und wenn sie Sie verurteilen, versuchen Sie es zu relativieren. Die haben keine Ahnung.

Sie müssen nicht so sein wie Sie, und Sie müssen nicht so sein wie sie.

Machen Sie einfach Ihr Ding und kümmern Sie sich um sich selbst.

Gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Wenn sie zu krank sind, um Ihnen zu folgen oder Sie zu schätzen, ist das, weil sie krank sind.

Und blind.

Und das gilt natürlich ganz besonders für Susan.

Vergebt euren Feinden, denn sie wissen nicht, was sie tun. Aber verinnerlichen Sie nicht deren Krankheit. Es geht eigentlich nicht um Sie, außer vielleicht in dem Sinne, daß Sie eine Art von Verletzlichkeit an sich haben, die mit Freundlichkeit und Gut-Sein einhergeht, und in dieser Welt kann das manchmal eine Art von Sadismus bei anderen hervorrufen. Ihr Bedürfnis nach ihrer Liebe und Anerkennung ist Ihre Achillesferse, und die Leute werden das als Eingangspforte benutzen, um Sie nur so zum Spaß zu zerstören, weil sie jemanden zerstören müssen, um sich für ihr eigenes miserables Leben und ihre Unfähigkeit, so gut zu sein wie Sie, zu rächen. Sie sehen etwas Gutes in Ihnen, während sie gleichzeitig sehen, daß Sie verletzlich sind. Das Raubtier in ihnen will Sie zerstören. Spielen Sie da nicht mit.

Und von der anderen Seite: Menschen, die sich um Sie sorgen, können wütend auf Sie werden, „wegen Ihrem Hang zur Selbstzerstörung“. Aber in Wirklichkeit ist das nur ihre Frustration und Angst, die dadurch entsteht, daß sie Sie leiden sehen und sich nicht in der Lage fühlen, Ihnen zu helfen. Jeder ist einigen der Dinge, die Sie festgefahren halten, nur knapp entkommen, und wenn sie es in Ihnen sehen, wollen sie es angreifen und zerstören. Sie wollen Sie anschreien, so wie Eltern ein Kind anschreien, das seine Hand auf einen heißen Herd legt.

Jeder hat in sich das Gefühl, ein miserabler Verlierer und Versager zu sein, und jeder versucht verzweifelt, nicht so von sich zu denken. Wenn sie also jemanden sehen, der sich abmüht, wollen sie ihn treten. Es ist einfach ein ekelhaftes Mob-Verhalten, aber ich denke, wir haben es im Grunde alle in uns. Es gibt auch einen Teil von mir, der von mir denkt, daß ich ein schrecklicher Versager bin, der nie glücklich sein oder Erfolg haben wird, der schwach und „selbstzerstörerisch“ ist.

Sie schulden sich selbst Mitgefühl, genauso wie Sie anderen Mitgefühl schulden. Da gibt es wirklich keinen Unterschied.

Nächstenliebe beginnt zu Hause. Wenn Sie sich selbst Unrecht tun, tun Sie auch anderen Unrecht. Sie haben die Verantwortung, zu versuchen, sich das nicht anzutun.

Wir sitzen alle im selben Boot. Kümmern Sie sich um andere, indem Sie sich um sich selbst kümmern. Behandeln Sie andere gut, indem Sie sich selbst gut behandeln.

Gehen Sie mit sich selbst so um, wie Sie möchten, daß andere mit sich selbst umgehen.

Wenn Sie sich selbst gut behandeln, geht es nicht nur um Sie.

Sie sind eines von Gottes Kindern.

 

Zen und die Kunst des „Nicht-Kooperierens“

Ein Facebook-Freund hob etwas hervor, das ich in einer Bemerkung geschrieben hatte, die ich gegenüber einem Patienten von mir gemacht hatte: Ich hatte ihm geraten, „nicht zu kooperieren“ mit Leuten, die versuchen, ihn zu schikanieren. Ich führte das gegenüber meinem Facebook-Freund weiter aus: „Ich denke, das ist ein wirklich guter Punkt, den du mit der Betonung von ‚nicht kooperieren‘ machst. Ich habe nicht einmal wirklich daran gedacht, als ich es geschrieben habe, aber tatsächlich ist diese ganze Sache des ‚nicht Kooperierens‘ mit der Neurose anderer Leute eine sehr wichtige Technik, die ich jeden einzelnen Tag bei jedem Menschen anwende, dem ich begegne! Es ist so, als ob die Leute einem immer ‚Angebote‘ machen, sich auf ihren Unsinn einzulassen, und so vieles im Leben ist im Grunde eine Art ‚Kampfsport‘, bei dem man ausweicht und vermeidet, sich in den Unsinn der Leute verwickeln zu lassen! Ich reagiere einfach nicht, wenn Leute neurotisch sind, oder ich lenke die Person auf eine freundliche oder entwaffnende Weise um, ohne dabei zu offensichtlich zu sein! Es hilft, wenn ich gutgelaunt bin und Humor einsetzen kann!“

 

Die Mechanismen, die kranke Menschen und kranke Ideologien gemeinsam haben, und was man dagegen tun kann

Jeder kranke Mensch und jede kranke Ideologie operiert auf die gleiche Weise: Sie beginnt mit einem Manöver, das darauf abzielt, bei ihrem Opfer einen Zustand der Schuld hervorzurufen und die Rechtfertigung für den Mißbrauch des Opfers vorzubereiten. Die Person oder die Gruppe von Menschen wird als schlecht und als strafwürdig dargestellt. Den Opfern wird ein Mechanismus angeboten, um ihre Schuld zu lindern, und ihnen wird vorgegaukelt, daß, wenn sie kooperieren, indem sie ihre Sünden zugeben, ihre Strafe weniger streng ausfallen wird und Erlösung – sogar Liebe – möglich sein wird. Doch das Gegenteil ist der Fall: Sobald das Opfer die Rolle des Schuldigen akzeptiert, ebnet diese Akzeptanz tatsächlich den Weg für eine härtere, nicht etwa weniger harte Ausbeutung und Bestrafung.

Der Ausweg aus dieser Falle ist immer derselbe: Wenn dich jemand erledigen will, verhalte dich unter keinen Umständen wie eine Beute. Und mache dir nicht die Mühe, zu versuchen, den Verfolger in ein rationales Gespräch zu verwickeln: Was hier stattfindet, hat nichts mit Rationalität zu tun. Weigere dich einfach, irgendeine Beziehung einzugehen, einschließlich jeder Form von „Du bist mein Feind“-Beziehung. Diskutiere nicht. Weigere dich einfach, dich wie ein Beutetier zu verhalten. Das Raubtier wird das Interesse verlieren und weiterziehen, um sich gefügigere Opfer zu suchen.

 

„Liebesangst“: Auszüge aus einigen Texten an einen 20-jährigen männlichen Patienten von mir, der viel psychedelische Drogen nimmt

Sie sind ein sehr sensibler Organismus und versuchen ständig, sich davor zu schützen, verletzlich zu sein! Das ist es, worum es beim Marihuana- und Drogenkonsum geht, denke ich. Und wenn man von der Angst völlig überwältigt ist, zieht man sich in seinen Kopf zurück. Und psychedelische Drogen fördern diesen Prozeß des Rückzugs in den Kopf. Am Ende halluziniert man nur noch, anstatt sich mit der Realität um einen herum und in einem selbst auseinanderzusetzen. Alles wandert in deinen Kopf und versteckt sich dort.

Es geht darum, vor sich selbst zu fliehen. Wenn Sie die Selbstfindung als eine aufregende Reise, ein Abenteuer, betrachten können, wird Ihnen das helfen. Abenteuer brauchen Mut! Ich weiß, daß Sie wahrscheinlich das Gefühl haben, daß die Psychedelika irgendwie ein Abenteuer der Selbstentdeckung sind, das ist das klassische Gefühl des Psychedelika-Konsumenten. Das war in den 1960er-Jahren so, wir hatten alle das Gefühl, daß die Drogen uns helfen würden, uns unserer selbst bewußter zu werden. Dann wandte sich meine Generation langsam der Therapie zu, und die Leute hörten auf, Drogen zu nehmen!

Mit Psychedelika kann man interessante und tiefe Erfahrungen machen, aber sie bringen einen auch auf andere Weise aus dem Kontakt mit sich selbst. Wie man so schön sagt, es ist ein „Trip“. Aber es ist ein Trip weg von „zu Hause“, es ist diese Art von Abenteuer. Und Sie müssen jetzt ein Zuhause in Ihrer Haut finden. Sie müssen sich dort wohlfühlen, und Sie brauchen die Hilfe anderer, um sich dort wohlzufühlen, denn es gibt keine Möglichkeit, mit sich selbst in Kontakt zu sein, ohne mit anderen Menschen in Kontakt zu sein.

Eine Sache, die Sie tun können, um aus Ihrem Kopf herauszukommen, ist, anderen Menschen einfach mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Stellen Sie ihnen Fragen, hören Sie ihnen zu und stellen Sie ihnen dann weitere Fragen. Lassen Sie sich von ihnen faszinieren, helfen Sie ihnen, begleiten Sie sie auf ihrem Weg durchs Leben. Das kann Sie dazu bringen, aus sich selbst herauszugehen und mit anderen Menschen in Beziehung zu treten.

Es ist nicht völlig irrational, Angst vor der Liebe zu haben, denn wenn man jemanden sehr liebt, kann man unglaublichen Schmerz erleiden, wenn in der Beziehung etwas schiefgeht. Es könnte sogar dazu führen, daß man sterben möchte oder einfach aufgibt, sich um sich selbst zu kümmern, usw. Wir alle erleben solche Dinge im Leben. Das ist also eine Realität. Aber wenn man das Risiko nicht eingeht, ist das eine andere Art von Tod. Was die Menschen tun müssen, ist ihren Mut zu stärken! Chancen ergreifen! Das ist der Weg, lebendig zu sein! Der Konsum von Drogen steht dem im Weg! Es bringt dich in deinen Kopf und das ist nicht der Ort, an dem das Leben wirklich stattfindet! Du kannst „Erleuchtung“ erlangen, indem du einfach auf Menschen zugehst und ihnen dein Herz öffnest, indem du verletzlich wirst! Verwundbar zu sein, ist das, was Sie am Leben erhält und was Sie auf lange Sicht widerstandsfähig macht. Sie werden Schmerz empfinden. Aber Sie werden auch eine Widerstandskraft haben, die andere Menschen, die verschlossener sind, nie haben würden. Lassen Sie sich lieben, gehen Sie das Risiko ein. Ich bedauere die schrecklichen Verluste nicht, die ich durch meine große Liebe erlitten habe.

Alles dreht sich um die Liebe. Nicht um irgendeine verschwommene psychedelische Liebe. Echte Liebe, die sich im Körper, im Geist und in der Seele abspielt. Man kann einfach nicht nur mit dem Kopf lieben!

Die „Liebesangst“ ist eine echte Sache. Und sie ist gefährlich, denn die Menschen ziehen sich voneinander zurück und merken nicht einmal, daß sie Angst vor der Liebe und vor einer Vertiefung der Liebe haben. Die Liebe hat keinen Boden, sie ist ein bodenloser Brunnen, es gibt keine Grenze, wie sehr man jemanden lieben kann. Und das ist natürlich erschreckend. Denn was ist, wenn man sie oder ihn verliert? Und wie oft verlieren wir sie oder ihn! Also vermeiden wir die Angst, wir zerstören Beziehungen! Wir wissen nicht einmal, daß wir es tun! Wenn Sie sich Ihrer Liebesangst und der Liebesangst anderer, sogar die Ihrer Eltern, bewußt werden, haben Sie die ganze Sache zu 50% im Griff. Der Rest ist sehr hart und schmerzhaft. Aber es kann dich in einen Helden verwandeln! Jemand mit ungeheurem Mut und Widerstandsfähigkeit! Ich habe etwas davon an mir, und ich arbeite ständig daran, es zu verbessern.

Sie sagen, daß Sie viel Traurigkeit empfinden, weil Sie so lange vor sich selbst weggelaufen sind. Ja, aber die Traurigkeit ist eine Chance! Es ist eine Gelegenheit, so viel von dem zu fühlen, was Sie bisher vermieden haben zu fühlen. Und indem Sie diese Dinge fühlen, werden Sie stärker werden. Es wird schmerzhaft sein, diese Dinge zu fühlen, aber es wird Sie stärken!

Sie sagen, daß Sie Angst davor haben, daß Ihre Liebe zurückgewiesen wird, und daß Sie auch keine Angst in anderen hervorrufen wollen, indem Sie sie mehr lieben, als sie verkraften können. Ja. Das ist einer der Gründe, warum es so wichtig ist, die andere Person zu verstehen. Das ist der beste Weg, um Liebe zu zeigen und um zu vermeiden verletzt zu werden. Ja, Sie werden immer durch die Fähigkeit anderer Menschen, zu lieben und ihre eigene Liebesangst zu ertragen, eingeschränkt sein. Alles, was Sie tun können, ist, an sich selbst zu arbeiten und andere Menschen zu beobachten. Beobachte, beobachte, beobachte. Wenn Sie sehen, daß die sich zurückziehen, müssen Sie sie manchmal sich einfach zurückziehen lassen. Manchmal hilft das, daß sie von selbst zurückkommen.

Wenn Sie in der Lage sein wollen zu lieben und geliebt zu werden, achten Sie auf die Dinge, die Ihnen im Weg stehen. Und was uns im Weg steht, ist die Liebesangst. Und die kann viele Formen annehmen, von denen einige offensichtlicher sind als andere.

Ein Kommentator zu diesem Beitrag vertrat die Ansicht, daß das, was ich über die Vorteile der Verletzlichkeit geschrieben habe, zwar oft stimmt, daß es aber in manchen Zusammenhängen wichtig ist, sich nicht so verletzlich zu machen, weil das zu einer extremen Schädigung führen kann.

Meine Antwort: Genau hier kommt der Aspekt des „Beobachten, Beobachten, Beobachten“ ins Spiel! Verstehe so gut wie möglich, mit wem du es zu tun hast, damit du nicht durch die Liebesangst des anderen eine emotionelle Pestattacke auf dich selbst auslöst.

 

Die Etymologie von „Paranoia“

Die Wortwurzel „para“ stammt aus mehreren verschiedenen Quellen: einem persischen Wort mit der Bedeutung „Stück, Teil“, einem griechischen Wort mit der Bedeutung „neben, angrenzend“ und einem lateinischen Wort mit der Bedeutung „verteidigen, schützen“. „Noia“ ist griechisch und bedeutet „Gedanke“. Es hat auch andere Sprachwurzeln, die „Angst, Kummer, Langeweile, Mühsal“ bedeuten. Das sagt uns also alles, was wir über Paranoia wissen müssen! Sie ist nur ein Teil des Wissens, sie neigt dazu von abwehrender und stumpfsinniger Natur zu sein und kann dir nur Kummer und Qualen bescheren!

 

Emotionale Regulationsstörung und Beziehungsregulation: Text an die geschiedenen Eltern einer regulationsgestörten jungen Erwachsenen

Hallo Lois und Ben,

ich habe mich gestern, Mittwoch, den 11.5. mit Robin getroffen. Sie wurde von einem Freund namens Eric begleitet, der im Wartezimmer wartete. Sie sah ziemlich gestreßt aus und ihre Stimmung war ziemlich aufgewühlt. Sie beschrieb einige Spannungen zwischen sich und Rich. Sie las mir einige Textnachrichten vor, die sie mit Rich ausgetauscht hatte, und es klang so, als ob er mit seiner Geduld mit ihr am Ende sein könnte. Sie ist offenbar aus Gründen, die eigentlich unklar sind, über ihn verärgert. Tatsächlich scheint sie auf praktisch jeden sauer zu sein, allerdings nie auf mich (soweit ich weiß), und wie üblich nutzt sie die Gelegenheit sich Luft zu machen, und ich höre verständnisvoll und unterstützend zu, während ich gleichzeitig versuche, die Stimmung im Raum mit etwas verständnisvollem Humor aufzuhellen. Aus ihrer Sicht fühlt sie sich von der Welt irgendwie angegriffen. Es ist, als hätte sie eine emotionale und psychologische „Fibromyalgie“. Deshalb braucht sie ein rezeptiv beruhigendes, nicht reaktives und nicht invasives emotionales Umfeld von Seiten des Gegenübers.

Der Grund, warum sie sich nicht über mich ärgert, ist nicht, daß ich ein Genie oder ein Heiliger oder ein Magier oder der netteste Kerl der Welt bin oder so etwas. Es hat natürlich viel damit zu tun, daß ich nicht ein Elternteil bin und nicht zu ihren Freunden gehöre, so daß weder für sie noch für mich die Dinge auf dem Spiel stehen, die in einer normalen Beziehung auf dem Spiel stehen. Das macht es für sie und mich einfacher, miteinander auszukommen. Ich bin Therapeut, also bin ich für ihre Bedürfnisse da und nicht für meine. Aber ich glaube, daß es bestimmte Dinge gibt, die ich tue und nicht tue, die die Beziehung erfolgreicher machen, als es, sagen wir, bei einem anderen Therapeuten der Fall wäre. Ich habe sie oben ein wenig angeschnitten und werde versuchen, sie weiter unten zu beschreiben. Das mag vielleicht ein wenig repetitiv sein, aber ich denke, manchmal müssen Dinge auf verschiedene Weise mit unterschiedlichen Beispielen und in unterschiedlicher Sprache wiederholt werden.

Ich finde, daß die Art von Ansatz, die ich oben beschrieben habe, bei ihr am besten funktioniert. Mit anderen Worten, ich habe das Gefühl, daß eine Art von „logischer“ Argumentation bei ihr („Weißt du nicht, daß...“, „Es wäre besser gewesen, wenn...“, „Warum machst du es nicht so...“) nicht erfolgreich sein wird. Sie ist klug genug, um zu wissen, was logisch sein könnte, aber sie hat derzeit nicht die Fähigkeit, sich emotional so zu regulieren, daß sie sich völlig rational verhalten kann. Ich glaube, das bedeutet, daß man in ihrem Fall bei der Interaktion im Grunde ihr erlauben muß sich Luft zu machen, bis sie sich beruhigt hat. Und je weniger man sagt, desto besser, am besten ist es, einfach zuzuhören und hier und da ein kleines „Aha“ zu sagen! Versuchen Sie nicht, sie zur Vernunft zu bringen, bevor sie nicht sehen, daß sie angefangen hat, von selbst vernünftig zu werden. Dazu gehört eine Haltung der Toleranz und ein implizites Verständnis dafür, daß sie gelegentlich die Chance braucht, eine Zeitlang verärgert und unlogisch zu sein, und daß dies im Rahmen Ihrer Beziehung verstanden und akzeptiert wird. Wenn sie vernünftig wird, dann aber wieder in eine emotionale Regulationsstörung gerät und unvernünftig wird, hören Sie auf, mit ihr zu argumentieren, bis sie sich emotional wieder reguliert hat. Anders ausgedrückt: In einer persönlichen Beziehung muß man ihr erlauben, eine gewisse Zeitlang emotional und unvernünftig zu sein, bevor man von ihr verlangt, daß sie logisch und ruhig ist. Ich glaube, wenn man so mit ihr umgeht, indem man einfach zuhört und vielleicht versucht, die Spannung mit ein wenig Humor aufzulockern, wenn man eine Gelegenheit sieht, bei der sie das zuläßt und nicht beleidigt ist, wird sie ruhiger und kann sich auf eine tolerantere und vernünftigere Weise auf andere einlassen. Ich denke, sie ist wie ein wütendes Baby, das weint; sie braucht eine beruhigende Präsenz, keine herausfordernde Präsenz, um ruhig zu werden. Ich möchte dies wiederholen und sehr deutlich machen: Das bedeutet, daß man implizit anerkennt, daß sie emotional so regulationsgestört ist, daß man von ihr nicht sofort verlangen kann, „richtig“ bzw. vernünftig bzw. ruhig bzw. rational zu sein. Sie braucht die „Erlaubnis“, eine Zeitlang ein wenig unvernünftig zu sein, bis sie sich spontan beruhigen kann. Ich habe den Eindruck oder die Beobachtung gemacht, daß es sie aufregt und die Situation eskalieren läßt, wenn jemand versucht, mit ihr vernünftig zu reden, wenn sie dysreguliert ist, und sich dann ihre Regulationsstörung verschlimmert. Das liegt daran, daß sie emotional die Sprache eines Kleinkindes spricht.

In der Vergangenheit wurden bereits viele Medikamente bei ihr ausprobiert. Die offensichtliche Wahl wäre ein Stimmungsstabilisator. Aber offenbar haben diese nicht gewirkt. Das ist in der Psychiatrie durchaus nicht ungewöhnlich. Psychiatrische Medikamente wirken oft sehr gut, aber es ist auch nicht ungewöhnlich, daß sie überhaupt nicht wirken. Ich hatte schon viele Patienten mit einer langen Liste von 20 oder 30 Medikamenten, die nicht gewirkt haben. In gewisser Hinsicht ist sie sogar eine einfachere Patientin als manche von diesen.

Sie reagiert so empfindlich auf die kleinste Andeutung von Kritik oder eine Anspielung darauf und zeigt derartig viel Abwehr, wenn ein Schamgefühl bei ihr aufkommt, daß sie beides nicht tolerieren kann und sich tatsächlich einbildet, daß sie beschämt und kritisiert wird, obwohl sie nicht beschämt oder kritisiert wird, sondern man einfach nur aufrichtig versucht ihr zu helfen. Deshalb denke ich, daß es nicht funktioniert, ihr Ratschläge zu geben oder von ihr zu verlangen, daß sie sofort vernünftig wird.

Es stellt sich die Frage: Wie soll sie denn in der Arbeitswelt leben, wenn sie diese Dinge nicht ertragen und sich nicht selbst regulieren kann?! Die Antwort ist, daß sie sich im Alltag wahrscheinlich etwas besser selbst regulieren könnte, wenn sie ein paar Leute hätte, bei denen sie sich Luft machen kann und die nicht sofort von ihr verlangen, daß sie sich vernünftig und ruhig verhält. Ich denke, daß ihre Emotionen „aufgefangen“ werden müssen, so wie ein Ball von einem Baseball-Fänger gefangen wird, der „in ihrem Team“ ist, und ihr das Gefühl zu vermitteln, daß Sie es auch sind. Das unterscheidet sich im Grunde nicht so sehr von dem, was „normale“ Menschen miteinander tun: Eheleute, Freunde usw. erlauben sich gegenseitig am Ende des Tages Dampf abzulassen usw. Sie wissen instinktiv, daß dies nicht der richtige Zeitpunkt ist, um zu versuchen, mit der anderen Person zu argumentieren oder logisch zu werden. Ich denke also, daß es sich in mancher Hinsicht nicht so sehr qualitativ von dem unterscheidet, was wir alle normalerweise füreinander tun, aber es ist in ihrem Fall quantitativ anders. Was ich damit sagen will, ist, daß sie die gleichen Dinge braucht wie wir alle, aber sie braucht viel mehr davon. Wenn sie diese Dinge von mir und vielleicht von Ihnen beiden und von allen anderen Unterstützern oder Freunden, die sie finden kann, bekommen kann, bin ich sicher, daß ihr das helfen kann, in einer Arbeitssituation etwas stabiler zu sein, so wie es uns allen hilft, die Welt zu tolerieren, wenn wir zumindest ein paar Menschen haben, die uns tolerieren können, wenn es uns schlecht geht. Ich weiß, daß ich das nicht sagen muß und bin mir absolut sicher, daß Sie beide in dieser Hinsicht kolossal heldenhafte Anstrengungen unternommen haben. Aber ich denke, daß Sie beide dazu neigen, ein bißchen auf der „logischen“ Seite zu sein, und das funktioniert bei ihr einfach nicht. Sie kann genauso logisch sein wie jeder andere, wenn sie sich erst einmal beruhigt hat. Sie ist eigentlich ziemlich intelligent und scharfsinnig, sie ist nur emotional so stark dysreguliert.

Weder verlange noch erwarte ich, daß Sie beide mit allem, was ich hier schreibe, einverstanden sind; und wenn Sie nicht damit einverstanden sind oder denken, daß ich naiv bin oder Sie das alles schon einmal ausprobiert haben, lade ich Sie ein, mich herauszufordern und mit mir zu diskutieren. Es geht viel verloren, wenn Menschen sich scheuen, ihre Meinungsverschiedenheiten zu äußern. Meinungsverschiedenheiten und Kritik können ein Weg zu einem besseren Ergebnis sein. Ich bin nicht besonders dünnhäutig, und ich schätze Offenheit und kann damit umgehen.

Sie braucht ein Zuhause. Ohne ein solches hat sie keine Chance, sich emotional zu regulieren.

Sie erwähnte, daß sie Lois gefragt habe, ob sie bei ihr wohnen könne, worüber Lois mir am Dienstag ebenfalls eine SMS geschickt hatte. Sie erwähnte auch, daß Lois das Thema besprechen wollte, aber Robin zu diesem Zeitpunkt nicht in der Stimmung gewesen sei. Als Lois mich am Dienstag per SMS um Rat in dieser Sache bat, riet ich ihr, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen, ob das funktionieren würde. Offensichtlich ist das Thema komplex und beunruhigend und schwierig, denn einerseits braucht Robin wahrscheinlich eine stabile Wohnsituation, um eine Chance auf ein Arbeitsleben zu haben, und sie braucht ein Arbeitsleben, um eine Chance auf eine stabile psychologische Entwicklung zu haben; andererseits ist sie anscheinend bei fast jedem gereizt und man kommt sicher nur schwer mit ihr zurecht. Offensichtlich gibt es keine einfache Lösung für dieses Dilemma. Im Idealfall (zum Wohle Robins) würde sie bei Lois (oder in ihrer eigenen Wohnung) leben, aber die Frage ist, ob das machbar ist.

Lois hat geschrieben, daß Robin ihr gesagt hat, sie wäre bereit, sich mit Lois und mir zu treffen. Ich habe das gestern nicht mit Robin besprochen, aber ich wäre dazu bereit. Vielleicht könnte es mir gelingen, sowohl Robin als auch Lois darin zu coachen, wie sie zusammen sein können, ohne daß sich eine von ihnen auf ihre eigene Weise „unsicher“ fühlt. Ich denke, ich könnte das auf freundliche und unterstützende Weise tun; ich glaube, Robin vertraut mir ziemlich viel, und ich habe auch das Gefühl, daß Lois mir bis zu einem gewissen Grad vertraut. Ich denke, wenn wir gemeinsame Sitzungen abhielten, würde Robin natürlich auch weiterhin ihre eigenen Einzelsitzungen brauchen. Außerdem müßten die gemeinsamen Sitzungen vielleicht so strukturiert sein, daß sie sich auf Robins Regulierungszustand konzentrieren, und wenn die Dinge anfangen dysreguliert zu werden, würde ich Lois wahrscheinlich bitten zu gehen, damit ich Zeit mit Robin verbringen kann, um ihr zu helfen sich danach wieder besser zu regulieren. Vielleicht könnte das der Spielplan sein, damit Robin weiß, daß sie eine Sitzung abbrechen kann, wenn sie es braucht, und sie sie mit mir allein beenden kann.

Ein Teil der gemeinsamen Sitzungen müßte natürlich dem Versuch gewidmet sein, eine Art von Richtlinien und „Grenzen“ festzulegen, die es den beiden ermöglichen würden zusammenzuleben. Vielleicht sollte eine Vereinbarung über das Zusammenleben erst dann getroffen werden, wenn beide Parteien das Gefühl haben, daß sie in den Sitzungen einen Weg gefunden haben, wie sie sich gegenseitig helfen können, sich geregelt und emotional wohl zu fühlen. Vielleicht könnten wir gleich in der ersten Sitzung damit beginnen, diese Richtlinien für ein Zusammenleben zu besprechen, die Inhalt jeder Sitzung sein sollten, während wir gleichzeitig an den zwischenmenschlichen Methoden arbeiten, die es ermöglichen, in der Sitzung zu Vereinbarungen zu kommen, die sowohl Robin als auch Lois das Gefühl gäben, daß sie sich wohl dabei fühlen ein Zusammenleben zu versuchen. Vielleicht würde es auch dazu beitragen, daß beide wissen, daß sie im Falle einer Krise einen Termin mit mir vereinbaren können, um zu versuchen die Situation neu zu regeln.

 


Fußnoten

(1) „para“ „noia“, ein „Parallelwissen“ – ein weiterer Aspekt der ko-existierenden Wirkung?

(2) eine Funktion der Anziehung?

 

 

zuletzt geändert
19.05.22

 

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